Familiengeschichten - für den externen Gebrauch - Bilder z. T. in Sub- und verlinkten Domains -
aufgeschrieben ab VII `95 von Andreas Gruner. Ich habe viel rumgefragt, teilweise erfolgreich. Bei dieser Version wurde alles, was Beteiligte bloßstellen könnte, weggelassen.

Grundlage meiner Ausführungen sind Aufzeichnungen, die ich machte, weil ich, von Politische Gewalttäern lebensgefährlich verletzt, erst einmal wieder einen Überblick über mein eigenes Leben gewinnen wollte. Na klar würde ich manches eher Private heute weg lassen. Bislang aber fand ich keine Zeit für eine sinnvolle Durchforstung. Ich kann deshalb nur auf Ihre Nachsicht hoffen.

Wie sich die Welt verändert, und niemand verliert ein Wort darüber. In einem zweiteiligen Film über die Flucht aus Ostpreußen hörte ich 2015 niemand wirklich Ostpreußisch reden, eine Folge des erfolgreichen und hin genommenen Völkermordes an den Ostpreußen. Als ich ein Kind war, in den 50er und 60er Jahren, habe ich in der Familie dauernd Ostpreußisch, und grade Masurisch gehört. Das war ganz normal, und ich konnte es mir nicht anders vor stellen. Da war der Völkermord an den Ostpreußen, Hinterpommern, einem Großteil der Schlesier, und vielen mehr auch noch nicht vollendet.

Seitdem haben Radio und Fernsehn auch die Bedeutung unserer erhaltenen regionalen Dialekte minimiert. Früher hörte sich Badener wie Badener, Frankfurter wie Frankfurter Dialekt an, und viele meiner Bonner Mitschüler konnte ich nur schwer verstehen; ganz unabhängig vom Karneval. Reines Hochdeutsch war vor Allem Schriftsprache.

Nun zur Ordnung des Geschriebenen: Der Vater jeder Person hat die doppelthohe Nummer dieser selbst, die Nummern der Mütter sind um 1 höher als die des Vaters. Die 1 bin ich, mein Vater ist 2, meine Mutter 3, etc.  Ich fange mit 1 an, denn schließlich gehöre auch ich zur Familie und kenne viele Geschichten, in denen nicht nur meine Eltern und viele andere Verwandte, sondern eben auch ich vorkomme. Und spätestens 2000 wurde mir dabei klar: Ja, vor allem wird dies auch eine ausgewachsene Autobiographie (incl. Kinder!).

Mit der 1 beginne ich und gehe dann rückwärts jeweils die Reihe der jeweiligen Träger eines Namens, beginnend bei Frauen mit dem Geburtsnamen der letzten Trägerin. Geschwister, Cousinen etc. erhalten keine Nummer. Sie werden entweder dem Inhalt nach Nummernträgern zugeordnet, oder der Verwandschaft nach. - - - ANMERKUNG

Und jetzt los:

1 Ich, (Reinhard) Andreas Gruner, wurde am 4. 2. 1955 in Heidelberg geboren. Meine ältesten Erinnerungen gehen in die Zeit zurück, als wir in der Von-der-Tann-Straße wohnten, also in Rohrbach. Ich erinnere mich gut an Rohrbach und habe mich lange mehr als Heidelberger als als Bonner gefühlt, obwohl wir da wegzogen, als ich erst vier war.

Ich lag in Professor Forsthoffs (Vati war bei ihm Assistent, und meine Eltern hüteten wohl das Haus) Garten im Kinderwagen, als Tante Gabi mit Verena, damals 2 Jahre alt, zu Besuch kamen. Plötzlich Geschrei aus dem Garten: Verena hatte mich in den Arm gebissen. "Ich hätte meine Kinder oft auch anknabbern können, so süß waren sie", erinnerte sich Tante Gabi. Aber das meinte sie erst viele Jahre später.

Natürlich habe ich viel Unsinn gemacht, so als ich verschwunden war, mein Vater nach mir im Wald suchte, und ihm Spaziergänger, die er nach mir fragte, von einem kleinen Jungen erzählten, der fröhlich vor sich hin sang: "Ich geh in`n lieben Wald".

Meine Mutter hat oft erzählt, daß ich zum ersten Mal bei der Tauffeier meiner Schwester betrunken gewesen sei. Grund sei der Genuß von zahlreichen Früchten aus der Bowle gewesen, mit denen ich mich gerne verwöhnen ließ; und mit vollem Erfolg.

 

hier in der v. d. Tann Strasse lebten wir im ersten Stock
Oft erzählte sie auch, wie ich vom Schlitten in den Schnee gefallen sei: Kopfüber; nur meine Beine hätten herausgekuckt. Pappi und sie hätten mit dem Lachen lange nicht aufhören können! Garnicht lustig fand es dagegen meine Omi, als sie in den Matsch oder eine Pfütze fiel und ich mich dazuwarf. Die Mutter meines Vaters lebte in Heidelberg und auch noch in Bonn ein paar Jahre bei uns. 

In der Gegend (von-der-Tann-Straße, nur wenig südlich von "An der Markscheide", der Grenze zwischen Heidelberg-Süd und Heidelberg-Rohrbach) lag auch das (wie ich heute weiß) Nato-Hauptquartier, und oft flogen doppelrumpfige Flugzeuge oder Hubschrauber mit zwei Propellern über den Himmel. Na ja, die Amerikaner; das war etwas ganz anderes, so ein bißchen wie ein reiches und mächtiges Märchenland.

Die Amerikaner (und natürlich die Russen und wohl auch die Engländer, ja, ein bißchen sogar die Franzosen) hatten den Krieg gewonnen, und alle waren dabei gewesen, alle. Natürlich nicht wir Kinder; wir gingen ja erst in den Kindergarten. Aber die großen schon, es war wohl die wichtigste Zeit ihres Lebens gewesen; die Männer waren an der Front und die Frauen konnten von den Bombardierungen erzählen. Damit wuchsen wir auf.

Amerika mußte wirklich etwas anderes sein als die Von-der-Tann-Straße mit ihren Zwischenkriegsvillen und Häusern vom Anfang des Jahrhunderts. In einem davon wohnten wir im ersten Stock. Hier gab es einen Balkon mit geschwungenem Geländer und unten einen Sandkasten gleich am Haus. Und den Krieg gewonnen hatten sie auch, die Amerikaner. Den Krieg, in dem auch Pappi mitgekämpft hatte.

Dort, wo wir auf die Große Straße herunterkamen, wenn wir in die Stadt wollten, und wo die Straßenbahn hielt, am Eichendorfplatz, stand ein Kiosk. Sein Betreiber hatte den schönen Namen Kröler. Dies nutzten meine Eltern, um mich die Aussprache des schwierigen Lautes "Kr" üben zu lassen. "K, K, K, Röler" ertönte ich dann.


Schließlich ging ich zum Kindergarten in der Nähe der Rohrbacher Kirche. Ich ging gerne und bald alleine dorthin. Der Rohrbach war damals unterhalb der Rohrbacher Kirche noch nicht kanalisiert, und ein paarmal ging ich in dem gemauerten Bachbett entlang. Kurz vor dem Kindergarten lag eine Scheune, in der oft Mais zum Trocknen hing.

Ich merkte es lange nicht: Von Anfang an sahen mir die Frauen nach.


Freunde hatte ich natürlich auch, darunter den Sohn von Will Schütze, der später meine Tante Gabi heiraten sollte. Familie Schütze wohnte nur zwei oder drei Häuser nördlich, Richtung Stadtmitte. Mit dem Sohn, der ähnlich alt war wie ich, war ich befreundet.

Sonst kannte ich Mümma und Püppa, das heißt, das Ehepaar v. Bistram, eine Familie aus dem Baltikum. Sie konnten interessante Geschichten aus der russischen Revolution und ihren Auswirkungen erzählen. In einer kam ein bekannter russischer Schriftsteller, ich glaube, es war Tolstoi, vor.

Uns und mir gut bekannt war auch Professor Forstoff (ja, der), bei dem mein Vater Assistent gewesen war. Ich glaube, er wünschte sich meinen Vater als Nachfolger. Als Baby lag ich oft in Schlierbach unter seinem Apfelbaum, und einmal war es fraglich und mußte erst geprüft werden, ob ich Scheiße oder einen alten Apfel an der Hose hatte. Seine Tochter, später eine verheiratete Falconi, war, so glaube ich, Patin meiner Schwester.

Andere gute Freunde meiner Eltern waren die Claudinons, Franzosen, die wohl deshalb in Deutschland lebten, weil sie sich während des Krieges für Vichy eingesetzt hatten, und die Dörings (Herr Döring wurde Professor und kannte meinen Vater deshalb gut, weil auch er bei Forsthoff Assistent gewesen war).

Schön und beeindruckend war ein Urlaub in Pörtschach am Wörther- see, an den ich noch viele Erinnerungen habe - ich war wohl grade gut zwei Jahre alt. Wir besichtigten ein Schloß und ich stellte mich unter eine Ritterrüstung. Mir drückte der Vorsprung für den Hodensack des Ritters am Kopf, und das wurde sehr deutlich, so unruhig wurde ich. Das Publikum schmunzelte. Außerdem fiel damals auf, daß ich den Kuckuk kaum noch hören konnte. Beim Nachforschen wurde festgestellt, daß meine Rachenmandeln herausmußten.

Bei der Taufe meiner Schwester war ich besoffen (2 Jahre alt). Einmal haute ich in den Wald ab, auf dem Bohner unserer Putzfrau ritt ich gerne mit, wenn sie ihn bediente, und dann ging ich gerne mit zu den Bauern - ich meine, sie hießen Frauenfeld - Milch holen. Ich glaube, sie wohnten in der Leimer Straße.

Die Lokomotiven fuhren damals zumindestens auf der Strecke Heidelberg-Frankfurt noch mit Dampf. An einem Bahnhof in der Nähe von Weinheim gab es einen Fahrradständer, an dem ich immer von der großen Zahl der ab- und hochgestellten Fahrräder beeindruckt war. Ich kannte ihn gut, schließlich sah ich ihn jedes Mal, wenn ich zu Oma und Opa (Vollmer) nach Frankfurt fuhr.

 

Die Eisenbahnstrecke nach Frankfurt kannte ich gut, weil ich hier oft meine Großeltern 4 + 5 besuchte. Wenn ich da war, besuchte ich oft auch Tante Pitha oder ihr Eltern, Onkel Fritz und Tante Lies, oder meine amerikanischen Verwandten, die in Frankfurt in der Ami-Siedlung wohnten. Der Vater war in der US-Army. Sie wohnten in einem beindruckend großen Haus und der Vater spielte Trompete; er hatte zwei davon. Sie waren über meine Mutter mit mir verwandt.


Manchmal fuhr uns der Bruder meines Vaters, mein Onkel Wolfgang, der ebenfalls in der Gegend lebte, zurück nachhause, sogar nach Bonn, später.

Auf jeden Fall boten die Besuche in Frankfurt auch viel Gelegenheit, bei den Nachbarn meiner Großeltern, die auch Kinder hatten, Fernsehen zu kucken. Meine Eltern kauften sich erst spät einen Fenseher, ich glaube, als ich 14 oder älter war.
Was wir bei den selben Nachbarn auch konnten: Wir konnten uns Micky-Maus oder Fix & Foxi-Heftchen leihen. Soetwas kam bei uns nicht ins Haus.

Hinter dem Haus, in dem meine Großeltern lebten, lagen Sportanlagen. Z. B. waren die großen Hockeyplätze vom Balkon aus gut zu sehen. Hier konnten wir oft unseren Onkel Wolfgang, den Bruder meines Vaters, lang rasen sehen.

Was ich in Frankfurt auch kennenlernte, war die Bertramswiese mit ihrem Kinderspielplatz, an deren Nähe Tante Droh wohnte - sie hatte mir einmal mit dem Finger aus dem Fenster gedroht, als ich bei ihr geklingelt hatte. Natürlich kannte ich auch die OFD (Oberfinanz- direktion), wo mein Großvater arbeitete, und das Lebensmittelgeschäft Schade und Füllgrabe in ihrer Nähe, wo meine Großeltern oft einkauften.

Und dann zogen wir nach Bonn, wo mein Vater schon seit zwei Jahren als Beamter arbeitete. Das fand er nun, wo er zwei Kinder hatte, besser, als Rechtsanwalt zu sein oder Professor zu werden.

Etwa zwei Jahre hatte er da schon im Finanzministerium in Bonn gearbeitet, bevor er hier eine Wohnung für die ganze Familie fand. Solange kam er, glaube ich, nur alle zwei Wochenenden nach Hause. Meine Schwester Susanne und ich fuhren während des Umzuges von Heidelberg aus zu den Großeltern nach Frankfurt und von da aus nach Bonn.

Bonn war war ungewohnt und rauh, und ich habe mich lange nach Heidelberg zurückgesehnt. Dies gilt insbesondere für das soziale Umfeld der Peter Ruster Straße 4. Nicht gutbürgerlich, wie in der Von-der-Tann-Straße; wir zogen in eine Siedlung mit vielen Wohnun- gen für Bundesbedienstete bis hin zum Chauffeur. Ihre Häuser waren wohl Ende der fünfziger Jahre gebaut, und immerhin gab es Sandkästen und viel Grün zwischen der vierstöckigen Häusern, zum Teil mit Laubengängen.

Grade vor unserem Hause war ein großer, von Gehwegen und Bäumen umsäumter Rasen, auf dem wir zwar nicht Fußball spielen sollten, aber im Winter rodeln durften, wenn einmal Schnee lag. Das ging ganz gut, hatte der Rasen doch gleich vor unserem Eingang und Küchenbalkon ein flaches Gefälle.

Rauhe Sitten gab es hier, und schnell war klar, daß ich mich für das Umfeld hier nicht gut genug prügeln konnte. Gute Freunde fand ich in Christoph Mennel und Rolf Gemmer, den ich kennenlernte, als er auch in die Peter Ruster Straße zog, gerade ins Nachbarhaus.

Rolf Gemmer und, vor allem in der Pubescens, Christof Mennel waren lange meine besten Freunde. Mit Rolf bin ich oft über den Kaiser Karl Ring ins LKH (Landeskrankenhaus) oder, wie die Leute sagten, Jeckenanstalt gezogen, über den vierspurigen Kaiser-Karl-Ring, wo es so viele Möglichkeiten zum Spielen gab, angefangen beim Klettern auf den Bäumen und Zündeln - oft haben wir im weiten Park des LKH Feuer gemacht - bis zum Erkunden der großen Anlage und Kastaniensammeln.

Die konnten wir zu HARIBO bringen, der sie für seinen Privatzoo brauchte und wo es Süßigkeiten dafür gab. Das heißt, meine Eltern sagten mir meistens, ich solle die Kastanien zum Schulzoo bringen, wo die armen Tiere zuwenig zu essen hätten. Dort wurden die Kastanien natürlich auch gerne genommen, aber es gab nichts dafür. Zum Glück wurde der Schulzoo schließlich geschlossen, sodaß ich wenigstens einmal zu Haribo konnte.

Das LKH sollte ja viel, viel später aus anderem Grunde noch sehr wichtig für mich werden, als ich beatmet werden mußte. Es liegt direkt gegenüber der Peter Ruster Straße, in deren Nr. 4 wir wohnten.

Ich bekam von meinen Eltern einen Chemiekasten, und heute noch erzählen die Eltern Gemmer von meinen Experimenten damit. So habe ich z.B. künstliche Kacke hergestellt. Das hielt die Gemmers nicht davon ab, mich nach Bächeln auf einen Bauernhof, ich glaube der Eltern von Frau Gemmer, einzuladen.

Zu Christoph ging ich auch jahrelang; einmal fuhr ich sogar mit ihm in die Bretagne (St. Brieux) in Ferien. Viel Musik machte ich auch mit ihm, die er mit seinem tollen Stereotonband aufnahm, wir beide auf der Gitarre, oder einer klapperte auf etwas oder sang noch. Sogar bei mir auf Kassette existieren davon noch Kopien (inzw. teilw. auf CD).

Vor allem am Wochenende kamen Susanne und ich morgens erst zu unseren Eltern ins Bett, und das wurde vielleicht interessant!

Vati stellte die Knie hoch, und wir konnten auf seinen Beinen herunterrutschen. Oder er erzählte von Himpelchen und Pimpelchen; oft waren es wahre Fortsetzungsgeschichten, die sich über viele Wochen hinzogen. Und es blieb auch nicht bei Himpelchen und Pimpelchen, sondern es kamen auch noch ein paar andere Figuren hinzu, erst Strümpelchen, und nach ein paar anderen zuletzt auch noch Zwerg Buttnase.

Das war vielleicht spannend! Da konnte Salamander nicht mithalten, obwohl es dort nicht nur Lurchihefte gab, sondern wir auch noch unsere Füße in Röntgengeräte stecken und dann unsere Knochen sehen konnten.

Jeden Sommer fuhren unsere Eltern ausgiebig in die Ferien mit uns, meistens vier Wochen ans Meer. Zweimal fuhren wir nach Ameland, und einmal kam unsere Cousine Silvia, die Tochter unseren Onkels Wolfgang, Papis Bruder, mit. Silvia war schon viel älter, als Susanne und ich, und konnte sehr gut zeichnen. Wir wohnten bei einem Bauern, und hier gab es ein Pferd mit "Daumen" zu bewundern. Ein tolles Bild zeichnete Silvia davon.

Später fuhren wir einmal mit Verena, Tante Gabis, das heißt der Schwester meines Vaters, Tochter nach Hastings. In Hastings lernte ich nicht nur das Glücksspiel um Pennys, Minigolf und Putting kennen, sondern konnte auch beobachten, wie zwei Englische "Jungens" hinter Verena her waren. Verena war zwei Jahre älter als ich, und sie hatte einen Minirock, der weit über ihren Knien endete.

 

Meine Großeltern 1957, bei Prof. Forsthoff im Garten?

 Wichtig waren auch der Haus- meister, Herr Blümel, und Herr Weber mit seinem Cockerspaniel Marco. Er war sehr streng und schimpfte viel auf Kinder, aber auch traurig, weil er keine hatte. Ich konnte viel bei ihm fernsehen, z. B. die Höhlenkinder, deshalb wichtig, weil wir keinen Fernseher hatten. Dagegen weiß ich nicht mehr, wo ich Raumschiff Orion gesehen habe, ob bei ihm oder bei Rolf.

Amerikanische Western gab es vor allem bei den Nachbarn meiner Großeltern in der Malapertstraße 22 in Frankfurt, also nahe der OFD (Oberfinanzdirektion) im Parterre, zu sehen. Opi arbeitete dort.

Auch in Bonn hatten wir wieder eine Putzfrau, Frau Körlings, die mich liebte, weil ich ihre roten Haare schön fand. Sie kam aus einer einfa- chen Familie, war nicht aufgeklärt worden und wunderte sich, als ihre Mutter sie anschrie, sie sei schwanger. Wie das nun kommen konnte, hatte ihr einfach vorher niemand gesagt.

Mit ihrem Sohn war ich etwas befreundet. Er hatte wohl ein Fahrad, mit dem wir gut meiner Schwester Susanne wegfahren konnten. Das haben wir oft auch getan. Susanne war verzweifelt.

Fahrradfahren lernte ich im Urlaub in Hollerath in der Eifel, kurz bevor ich eingeschult wurde. Ich lernte es auf einem rostigen Damenrad, das so groß war, daß ich nicht darauf sitzen konnte. Woran ich mich gut erinnern konnte, ist, daß ich hier zum ersten Male in meinem Leben ein paar Meter ins Ausland reiste, ca. fünf Minuten lang. Aber auch die vielen Bunkertrümmer im Wald, Reste des "Westwalls", habe ich gut im Gedächtnis.

 In der Volksschule war ich mit 56 Kindern, darunter ein paar Barackenkindern, in einer Klasse bei Frau Rösberg. Die Baracken- kinder waren "Asoziale", die z.T. nicht so recht Lesen und Schreiben lernten. Immer kamen sie auch nicht; manchmal halfen sie für 50 Pfg/Std auf dem Großmarkt mit, Kisten zu schleppen.


Einmal sah ich auf dem Rückweg von der Schule eine riesige Blutlache auf der Straße, auf dem Kaiser-Karl-Ring in Höhe der Lukaskirche. Erst am nächsten Tage erfuhr ich, daß sie von meinem Klassenkameraden Detlef Imhoffen stammte, der hier, ohne genügend hinzukucken, auf die Straße gelaufen war. Er landete dann auf der Intensivstation und mußte lange beatmet werden. Erstaunlich, daß er später trotzdem einen Schulabschluß schaffte.

 

Neben der Einfahrt zur Peter-Ruster-Straße am Kaiser-Karl-Ring wurde das (jetzt auch schon ehemalige) Arbeitsamt gebaut. Ich stieg auf den Rohbau, um mir den Kölner Dom anzusehen. Leider konnte ich nicht so weit kucken, am Horizont sah ich lediglich die Raffinerien von Hersel. Lange ging das dann aber auch nicht. Schon bald kam meine Mutter und meinte, ich müsse vom Dach runterkommen. Schade.

Ab und zu, aber eher selten, sah ich auch meine Cousine Verena, Tochter meiner Tante Gabi, die einmal, in England, mit uns in den Ferien war. Sie war gerade mal zwei Jahre älter als ich und die Cousine, mit der ich jahrelang am besten auskam. Als sie mich mal, selten genug, in Bonn besuchte, stiegen wir einmal auf einen Gasometer, um die Landschaft zu betrachten.

Einmal unternahm ich eine Tour den Kaiser-Karl-Ring und weiter Richtung Westen. Den Kaiser-Karl-Ring, eine vierspurige, vielbe- fahrene Straße, auf deren anderen Seite das LKH lag, kannten wir schon vom Weg zur Karlschule her gut. An ihm lag die Praxis von Zahnarzt Dr. Schmalen, zu dem ich für meinen Geschmack viel zu oft hinmußte, und dann die Lukaskirche, wo meine Mutter Presbyterin war, und wohin ich zum Kindergottesdienst mußte und wo ich im liturgischen Chor sang.

Rolf und noch ein Junge waren auch dabei, ich weiß nicht, ob mit Rollern, oder mit Fahrrädern. Vor der Victioriabrücke bogen wir links ab und kamen bis zu dem Waisenhaus neben der Eisenbahn.. Zurück brachte uns die Polizei. Eine andere Tour, wie die zum Waisenhaus mit Rollern, Fahrrädern und Kameraden, führte mich über die Rhein- brücke nach Beuel. Immerhin schafften wir es diesmal alleine zurück. Natürlich war Rolf auch dieses Mal dabei.

1965 kam ich in die Sexta des Beethoven-Gymnasiums {grundsätzlich kommen Sie von allen Seiten über den rückwärts-Pfeil des Browsers genauer zurück, und vor allem müssen die Seiten nicht verlinkt sein}, wo es dann doch etwas vornehmer zuging. Ich war ja schon überrascht, daß die Stunden zuende waren, wenn die Klingel klingelte. Aber auch Strafarbeiten lernte ich hier gut kennen.

 Gerne trieb ich Kunst und bekam hier ausschließlich Einsen; auch sang ich gerne, diesmal nicht im Kirchenchor, sondern im Schulchor. Der liturgische Kirchenchor der Lukaskirche war vom Küster geleitet worden, und ich hatte hier etwas Stimmbildung erhalten.

Dies fiel im Schulchor auf, und ich sang nicht nur, wie der gesamte Schulchor, zu Adenauers Geburtstag, ich glaube im Petruskranken- haus, sondern auch im Gassenbubenchor der Oper Carmen, in Bonn und, bei Gastspielen, in Solingen.

Pro Aufführung bekam ich fünf Mark, und wenn wir nach Solingen fuhren, sogar 4,50 DM extra, um Essen zu kaufen. Jahre später kaufte ich mir mit dem so verdienten Geld meine erste E-Gitarre.

Das war spannend, in einer Oper mitzumachen! Erst der Weg, vorbei an den alten Kasernen in der Rheindorfer Straße, voll mit gefährlichen Asozialen, dann, mich umzuziehen und schminken zu lassen, und dann die Möglichkeit, das Theater zu erkunden (heute heißt es Oper). Diese Möglichkeit nutzten wir gerne. So fuhren wir zu mehreren auf einem Kleiderständer auf Rädern durch den Flur; leider brach das Ding bald zusammen.

Natürlich hatte ich auch andere Fächer. In Mathematik wurde ich nie besser als ausreichend; ja, ich glaube, daß ich auch mal Fünfen bekam. Was ich jedenfalls bekam, war Nachhilfe. Die bekam ich von Herrn Kleindienst, dem Bruder von Susannes Klavierlehrerin. Und Sport bekam ich natürlich auch. Jede Woche mehrmals, und nicht wie in der Karlschule nur alle paar Monate, wenn unsere Lehrerin, Frau Rösberg, Lust dazu hatte. Hier bekam ich nur Vieren, obwohl ich in Volleyball und Tausendmeterlauf garnicht so schlecht war. Da half es nichts, daß ich einmal bei den Bundesjugendspielen eine Siegerurkunde gewann.

 Herr Bongartz in Französisch, das war so ein Fall. Wenn er zum Unterricht kam, denn irgendwann kam er immer, mußte ihm jemand entgegeneilen und die Tasche die Treppe hochtragen. Und dann kam er zur Tür hinein, die Hand unter dem Hemd an der Brust: "Ming Häz!"

Natürlich litt er unter den "Langhaarigen" unter uns, von denen es einige gab. Und manchmal erzählte er auch aus dem Krieg. Auf Helgoland hatte er stundenlang in Gräben gelegen, zusammen mit winselnden, ausländischen Verbündeten, während von oben die Bomben herabpfiffen.

Aber auch Geige, und später Bratsche, lernte ich, und nicht nur, wie zuvor, Blockflöte. Auch dies war eine Folge davon, daß meine Musi- kalität aufgefallen war. Frau Klatt, die Geigen- und Bratschenleh- rerin, war ehrgeizig. Auch den Eltern sollten wir Konzerte geben, ich glaube, jährlich in Bad Breisig. Was erst nach ungefähr nach vier bis fünf Jahren auffiel, war, daß meine Notenkenntnisse äußerst bescheiden waren.
 

Ich hatte einfach zuwenig Übung darin; nach ein- oder zweimal spielen kannte ich die Stücke ohnehin und sah nur noch so ungefähr aufs Blatt, um zu sehen, ob die Melodie gerade auf- oder abwärts ging.

Schließlich kam ich in meine erste Band, zu Vercingetorix, mit denen ich auch eine Reihe von Auftritten absolvierte. Ihren Schlagzeuger Roland Glaesser und ihren Bassisten Jochen "Floh" Reinsberg kannte ich vom BG, wo sie zwei Klassen über mir ebenfalls zur Schule gingen.

Leider wurde ihnen nach einiger Zeit  von ihrem damaligen "Manager" ein neuer Sänger aufgedrängt und ich bekam die Gelegen- heit, stattdessen in Koblenz bei Dactylus zu singen. Mit ihnen trat ich zum ersten Male vor 2000 Leuten auf.

Einen Vorteil hatte das ganze jedenfalls: Von dem neuen Vercingetorix-Sänger konnte ich günstig eine gebrauchte Gibson ES-335 kaufen, ich glaube für 1000,- DM, auf der ich noch heute gerne spiele, und von dem Vercingetorix-Gitarristen, der das Gitarrespielen aufgeben wollte, seine Marschall-Gitarrenanlage (50 W- Verstärker mit, so glaube ich, 8x10"Lautsprecher-Box, wie sie auch Jimi Hendrix hatte - natürlich hatte der mehr davon -. und seiner Fender-Telecaster-Custom für zusammen 1500,- DM). Diese Fender wurde später für mehrere Jahre meine geliebte Standart-Gitarre.

Nach ein paar Schuljahren auf dem BG, kurz bevor ich bei Vercinge- torix zu singen anfing, kam Manuel Köhler zu mir in die Klasse, drei Jahre älter, und er hatte schon lange vor mir Geschlechtsverkehr! Mit ihm war ich nach Beendigung der Schule einmal in Südfrankreich, einmal in Schweden und einmal in Schottland.

Bei den beiden letzten Reisen war seine Freundin As. Bi. dabei, die ich noch lange gut kannte, wohl länger als er. Manuel ist, ganz so wie sich das für einen Pfarrerssohn gehört, mit einer muslimischen Bosnierin verheiratet und hat ein Kind mit ihr (inzwischen sind es zwei Kinder).

Wie Manuel spielte ich gerne und sehr gut Kicker (Tischfußball), fast täglich in der OT, ab und zu aber auch im CV(JM), dem Haupt- quartier der Bonner Hippieszene. Ich war sehr schnell; schneller als ich waren von den mir bekannten Spielern in Bonn außerordentlich wenige.

Die OT (Offene Tür) lag in einem relativ neuen Haus am Anfang der Kölnstraße, wo ich gut zu Fuß hinkam. Vor allem die zwei Kicker im Parterre zogen uns an; nur ab und zu, eigentlich fast nie, gingen wir zu Frau Scholl, der geschiedenen Frau meines Kunstlehrers vom BG, einen Stock höher, oder in den Keller, wo ab und zu Klassenfeten stattfanden. Einmal lernte Manuel hier As. Bi. kennen, an die er sich gleich beim ersten Blues tierisch ranmachte. Wie tierisch, war nicht zu übersehen.

Da war das CV ganz anders. Es lag in der Kaiserstraße, in der Nähe von Hofgarten und Hauptbahnhof. Anders waren vor allem die Leute, die man hier treffen konnte. Schon wenn ich an die Treppe zum Eingang - das Haus wurde wohl um die Jahrhundertwende erbaut - kam, fragten mich langhaarige Gestalten, ob ich nicht Haschisch kaufen wollte. Nein, Geld ausgeben wollte ich nicht, aber das Abenteuer! Was machte es da schon, daß die Kicker hier lange nicht so gut waren.

Bei einem Konzert von Floh de Cologne in der Uni Bonn, bezahlte ich nichts (ich war wohl 16). So etwas hatten Manuel und ich damals drauf, nachgemachte Stempel auf den Händen, oder mitten rein ins Gedränge. Überhaupt sah ich viele Renommierte Bands, angefangen mit Alexis Korner, den Rolling Stones, Man, Nektar, Ginger Baker mit seiner Gurvitz-Army und Champion Jack Dupree.

Für einige zahlte ich natürlich schon. Nicht so für Can. Ich hörte und sah sie bei einem Konzert, bei dem auffiel, wie aufgeregt die Frauen wurden. Ein paar machten Fotos. Das lag daran, daß die Jeans des Sängers, eines Japaners, zerrissen war. Sein Schwanz hing heraus, in schönstem Gelb.

Unvergeßlich ist mir, wie meine Schwester Susanne die Küchentüre kaputt machte. Sie machte sie blitzschnell zu, als ich eine Mundharmonika nach ihr warf. Leider war es eine Glastür und hielt nicht soviel aus, wie ihr Kopf, nach dem ich eigentlich gezielt hatte.

Etwa seit ich 14 war, ging ich oft in´s Pentagon, später "Katakombe" genannt, die umgebaute Krypta der Lutherkirche in Poppelsdorf, wo Bonner Rockgruppen auftraten. Hin und zurück - die Konzerte endeten um 22 Uhr - ging ich zu Fuß - eine ganz schöne Strecke. Außer Manuel, seinen Bruder Yogi (Joachim) und ihre Freundinnen sowie meinen Klassenkameraden Klaus Hack - heute ist er Kunstlehrer - traf ich hier oft die "wilde Hilde", eine dürre und rothaarige etwas seltsame Frau, die heute ein Kind, aber keinen Partner hat.

Oft war ich am Kaiserbrunnen oder im Hofgarten, den Bonner "Szene"-Treffpunkten, meist mit Manuel, lange meinem besten Freund -er war Pfarrersohn und hatte sehr lange blonde Haare - öfters aber auch mit Carlos, einem Halbspanier, auf den die Frauen nur so flogen. Oft verkehrten wir auch in der Hippiekneipe 46 in der Kaiserstraße, und nicht selten fuhr ich mit Manuel in seinem silbergrauen Ford Capri ins Underground in Muffendorf, wo bekannte Gruppen wie Man und Nektar spielten, wir gegen zehn Uhr umsonst reinkamen und eigentlich immer ganz offen Haschisch geraucht wurde.

Aber das alles war nachmittags und abends, denn ins BG mußte ich ja auch noch. Aber auch hier ging es um Wichtigeres, als etwas zu lernen. Na ja, ganz vermeiden ließ es sich nicht. Aber wenn Lehrer, wie vor allem "Bongo" (Herr Bongartz) häufig, zu spät zum Unterricht kamen, spielten wir eine Art Federball im Klassenzimmer. Schläger oder Bälle hatten wir natürlich nicht dazu, und die Klassentische mußten dazu energisch zur Seite geräumt werden.

Da störte es natürlich sehr, wenn die Lehrer kamen und dann mit dem Unterricht beginnen wollten. Aber wir wußten uns zu helfen. Zu unserem Klassenzimmere mußten die Lehrer durch Glasschwingtüren; und wir hängten Stühle so über die Türgriffe, daß die Türen sich nicht mehr öffnen ließen. Uns dann verschwanden wir sogar, brav, wie wir waren, in unseren Klassenzimmer. Als der Lehrer endlich wirklich kam, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Hausmeister zu rufen. Der mußte dann, und zwar durch den Ritz zwischen den Schwingtüren, den Stuhl auseinandersägen.

Immer wieder interessant war es auch, die Möwen zu füttern, die, hier am Rhein, zahlreich herumsegelten. Die ließen es sich natürlich gerne gefallen, und schnapten nach unseren Brotkrumen. Toll, wie sie dabei an die Schulmauer kackten.

 

In der Bretagne


Es war 1971, und ich war 16 Jahre alt, als ich in den Sommerferien nach St. Brieux in der Bretagne kam, um Französisch zu lernen. Tat ich auch, vor allem aber lernte ich hier Fel. B. aus Mühlheim kennen, ein schönes "Mädchen" mit rotblonden Locken. An einem Abend traf ich sie und ihre Freundin Uli in dem Restaurant, in das mich meine Gastfamilie zum Essen eingeladen hatte, am Nachbartisch. Die Worte flogen hin und her.
Feli viele Jahre später, etwa 2000

An diesem Abend brachte ich sie nach Hause und konnte nachprüfen, wie gut sich ihre üppigen Brüste anfühlten. Auch in Mühlheim besuchte ich sie einmal; Christof, der seine Freundin - auch in St. Brieux kennengelernt - besuchte, fuhr mich, doch Fel. hatte leider ihre Tage.

Wir lagen auf einer Decke im Wald (auf ihrer, natürlich), und ich mußte nur ihren Minirock hochschieben - das einzige, was sie noch anhatte - um zu merken, daß sie eine Binde trug. Und ich hatte kein Auto, um sie öfters zu besuchen, sodaß es das auch schon war.

In den Sommerferien 1972 hatten meine Eltern für mich eine Reise nach Menton in Südfrankreich organisiert; natürlich Französischkurs wieder inclusive. Ich lernte aber nicht nur Französisch; vor allem brachten mir am Strand zwei junge Franzosen etwas Gitarre bei, und seither habe ich nie mehr aufgehört, Gitarre zu spielen.


In diesen Sommerferien hatte ich sogar zwei "Fummelerlebnisse", eins mit einer bildhübschen, schwarzhaarigen Bretonin. Dann erzählte mir eine sehr hübsche Blondine aus dem Pott ausführlich, daß sie die Pille nehme. Beide Frauen boten sich mir ziemlich ausdrücklich an - das sehe ich im Nachhinein.


 

Warum sollte ich wissen, daß Du die Pille nahmst?

Und ich? Schnalle nichts. Da stand die schöne Bretonin im Bikini vor mir, wiegte sich, lächelte mich an - und ich raffte nichts. Es half auch nichts, daß ich ihre Lippen noch fast auf den meinen spürte und ihre Schenkel auf meinen Handflächen noch gut in Erinnerung hatte. Daß ich einem Mädchen gut gefiel und sie etwas von mir wollte - es ging nicht in meinen Kopf hinein.

Inzwischen hatte ich mir einen billigen Gitarrenverstärker gekauft und eine riesige Box dazu gebaut. Nicht, daß ich je viel auf dieser Anlage gespielt hätte; aber ich stellte sie anläßlich eines Gemeindefestes für Durchsagen zur Verfügung; ein Mikrofon hatte ich ja auch. Schön laut wurden die Durchsagen. Ich nehme an, daß dies die Stellung meiner Mutter als Presbyterin und Synodale ungemein gestärkt hat, und für den Küster Urlaubsvertretung - Lieder anschlagen und Glockenläuten zum Vaterunser - hatte ich ja auch schon gemacht.

Für mich fielen dabei Wein- und Kerzenreste ab, und auf der Orgel konnte ich auch spielen. Meine Mutter, die ohnehin oft zu Kirchentagungen in die "DDR" fuhr, sollte als bundesweite Laienvertreterin aufgebaut werden. Ob es ihre Gesundheit nicht zulies oder ob es ihr einfach zu viel wurde; sie winkte ab.

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